Konzeption

Das Fantadu Kinderladenkonzept

Und so sieht’s in der Praxis aus – unser pädagogischer Alltag


Wo sollen wir da anfangen? Wo aufhören?

Bei genau diesen Fragen kristallisierten sich für uns die folgenden Überschriften heraus, die sich wie ein roter Faden durch unseren Kinderladenalltag ziehen. Sie sind für uns grundlegend und deshalb so wichtig, dass wir sie für Euch einmal schriftlich festhalten und mit Leben füllen wollen.


  • Zeit
  • Vertrauen
  • Individualität
  • Achtsamkeit
  • Streitkultur
  • Spiel /-räume
  • Schatzsuche

 

Zeit


Wir nehmen uns Zeit – auch für die vermeintlich nicht so wichtigen Dinge des Tages. So lernen die Kinder bei uns sehr schnell, sich weitestgehendallein an- und auszuziehen, auch wenn dies bedeutet, dass ihnen Zeit zum Spielen „verloren“ geht. Bei uns werden die Kinder nicht lange gefüttert, sie lernen schnell allein zu essen, auch wenn es die Erzieherinnen Zeit „kostet“, die Kinder und deren Umgebung nach dem Essen zu säubern. Wenn Kinder ihre Zeit bekommen, um ihre Angelegenheiten selbst zu erledigen, erlangen sie Vertrauen in ihr eigenes Können und trauen sich zu, neue Dinge auszuprobieren.


Wir planen nicht in starren Tages- und Wochenstrukturen, um den Freiraum zu bieten, der es uns möglich macht, den Bedürfnissen, Ideen und Wünschen der Kinder zu folgen. Dabei gibt es bei uns Rituale im Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresrhythmus, die den Kindern den für sie notwendigen Rahmen und damit Sicherheit bieten (siehe Tagesablauf).


Wir machen nicht viele Dinge auf einmal, sondern nehmen uns die Zeit, uns auf das zu konzentrieren, was gerade wichtig ist. Wir nehmen uns die Zeit, die Kinder da abzuholen, wo sie sind und sie zu begleiten.

Das Team nimmt sich die Zeit, die Kinder zu beobachten, den Werdegang eines jeden Kindes zu dokumentieren, die eigene Arbeit, das eigene Handeln zu reflektieren. Die Eltern werden auf den Elternabenden und in Elterngesprächen (mindestens 1x jährlich) informiert, was im Alltag geschieht, wie die Gruppensituation ist und wie es dem eigenen Kind geht, welche Erfahrungen es gemacht hat.



Vertrauen


Grundlage des Lernens und der Bildung ist das Vertrauen der Kinder zu den Erzieher/innen. Nur wenn Kinder sich geborgen und sicher fühlen, können sie sich frei bewegen. Nur dann haben sie die Möglichkeit, sich die Welt zu erobern, sich an neue Erfahrungen und Experimente heranzutrauen. In einer vertrauten Umgebung mit vertrauten Erwachsenen ist es den Kindern möglich, neue und auch manchmal von den Erwachsenen nicht erwünschte Verhaltensweisen auszuprobieren. Um diese vertrauensvolle Basis schaffen zu können, brauchen die Kinder – vor allem in der Eingewöhnungszeit – verlässliche ErzieherInnen. Verlässlich in ihrer Anwesenheit, verlässlich in ihrem Verhalten, in ihren Reaktionen.


Wir Erzieher/innen haben Vertrauen in die Fähigkeiten, die Kompetenzen der Kinder. Wir trauen ihnen ihrem Alter entsprechend unterschiedlich viel zu und vertrauen auf ihre Fähigkeit, Konfliktsituationen allein klären zu können.

Das Vertrauen der Eltern zu den ErzieherInnen ist genauso wichtig. Wenn Eltern ihre Kinder vertrauensvoll im Kinderladen zurücklassen können, geben sie ihren Kindern die Erlaubnis sich frei zu bewegen und zu entwickeln.

Diese unterschiedlichen Vertrauensebenen zu schaffen, ist eine der wichtigsten Aufgaben in unserer pädagogischen Arbeit.



Individualität


Wir nehmen jedes Kind als eigenständige Persönlichkeit wahr. Wir begleiten sie durch den Kinderladenalltag, widmen uns ihren Interessen und Ideen, geben Anregungen und Impulse, unterstützen individuell und helfen über große und kleine Stolpersteine hinweg. Dies alles im Tempo des jeweiligen Kindes.


Es ist uns möglich, in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen (Kleingruppen, Arbeit mit einem einzelnen Kind) zu arbeiten. So können wir auf die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse eingehen und Kinder begleiten – sie dort abholen wo sie stehen, ihnen „helfen es selbst zu tun“ und ihnen die zu Zeit geben, die sie für ihre Entwicklung brauchen.



Achtsamkeit


Achtsamkeit beinhaltet für uns Respekt und Wertschätzung gegenüber jeder Person mit ihrer einzigartigen Persönlichkeit. Wir erkunden die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse, Gefühle und Grenzen der Kinder und richten danach unsere Arbeit aus. Ideen, Kreativität und Kraft der Kinder werden gehört, gesehen, aufgenommen

und umgesetzt.


Wir trauen und muten den Kindern Dinge zu. Sie hämmern, nageln, sägen, schneiden mit richtigen Werkzeugen. Sie streiten, toben, klettern auf Bäume. Die Kinder erforschen und entdecken die Welt gemeinsam mit uns. Es erfordert ein hohes Maß an Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, wenn man die Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen Kindes kennen lernen und sehen möchte, um sich dementsprechend verhalten zu können. Achtsamkeit gilt auch den Dingen und Lebewesen, die uns umgeben. Das Haus mit dem Garten, den Tieren, die darin leben, dem Spielzeug und auch dem Mobiliar.



Streitkultur


In einer Elterninitiative treffen Vorstellungen, Ideen und Meinungen der Kinder, der Eltern und des Teams aufeinander. Wir beobachten die Kinder in Konfliktsituationen und lassen ihnen ihre Zeit, ihre Konflikte allein zu lösen, damit sie ihre soziale und persönliche Kompetenz erweitern können. Wir greifen nicht zu schnell ein und bestimmen was passieren soll. Wir handeln und unterstützen im Bedarfsfall.


Die Kinder ernst nehmen heißt, ihre Lösungswege, die nicht immer den Vorstellungen der Erwachsenen entsprechen, zu respektieren und anzunehmen. Wenn die Lösung gemeinsames Lachen ist, dann ist das in Ordnung. Wenn die Kinder nach einem Streit noch wütend und sauer sind, dann ist das in Ordnung. Den gemeinsamen Weg finden wir nur, wenn wir darum streiten. Streit um Standpunkte, Ideen, Regeln, Gestaltung der Räume ist notwendig und dann fruchtbar, wenn eine Kultur des Streites entwickelt und gelebt wird.


Streitkultur beinhaltet für uns, dass wir einander zuhören, dass die Persönlichkeit und die Meinung des Anderen, auch wenn sie meiner widerspricht, geachtet, dass das Ziel nicht aus den Augen verloren wird.

Streitkultur beinhaltet, dass wir uns Zeit nehmen, über Gesagtes nachzudenken, dass es immer um die Sache gehen und nicht in persönliche Verletzungen abgleiten sollte. Dies setzt einen offenen, von gegenseitiger Wertschätzung geprägten Umgang voraus.

Streitkultur heißt auch: mit Humor lassen sich viele Dinge leichter lösen.


Eigene Meinungen können überdacht werden. Manchmal ist man bestätigt und kann gestärkt weiter machen, manchmal wird man zu Veränderungen angeregt und Neues kann entstehen. Die Erwachsenen sind dabei Vorbild und Modell für die Kinder. Sie beobachten sehr genau und nehmen wahr, wie wir uns streiten und Lösungen finden.

Streit gehört zum Kinderladenalltag.



Spiel /-räume (nach Göran Frisk, schwedischer Pädagoge)


„Das Spielen hat eine zentrale Rolle im Leben des Kindes. Es hilft dem Kind, die Umwelt zu erobern. Im Spiel erforscht das Kind seine Umwelt, bearbeitet seine Eindrücke und Erfahrungen und kommuniziert mit Anderen. Im Spiel entdeckt das Kind seine Anlagen und Interessen. Durch das Spiel entwickelt sich das Kind sozial, gefühlsmäßig, motorisch,

sprachlich und intellektuell.


Spiel und Spielfreude ist eine wichtige Dimension im Lernprozess des Kindes. Wenn das Kind versucht, sich selbst zu verstehen und seine Umwelt zu erforschen, geschieht dies häufig spielerisch. Man kann kaum spielen und lernen trennen. Wenn Kinder Rollenspiele, Regelspiele oder Konstruktionsspiele betreiben, entwickeln sie Hypothesen, die sie selbst überprüfen oder mit Spielfreunden. Wenn das Kind mit Hilfe von verschiedenen Materialien konstruiert oder

ein eigenes Spielmilieu aufbaut, entwickelt es Verständnis für eine Reihe grundlegender Funktionen. Raumeigenschaften zu verstehen gibt grundlegendes Verständnis für Mathematik und Physik. Nähe, Abstand, Gewicht, Balance, länger als, höher als, flach, schief, physikalische Gesetze wie Schwerkraft und Hebelarm; alles wird sehr deutlich, wenn man Sand, Wasser, Klötze, Bretter, Steine und Kissen verwendet, um verschiedene Konstruktionen in einer Welt, in der man spielen kann, zu erbauen.


Im Alltag der Kinder gibt es viele Gelegenheiten, die verwendet werden können, um deren mathematisches Verständnis zu erweitern. Wenn Kinder die Möglichkeit bekommen, spielerisch eine Menge zu erfassen und zu benennen nach Größe, Gewicht, Volumen, Länge, zu ordnen, zu sortieren, zu vergleichen, verschiedene Muster zu schaffen und einfache geometrische Formen, so entdecken die Kinder Mathematik. Wenn man mathematische Begriffe zu einem Teil ihrer Erfahrungswelt macht, entwickeln sie Mathematik als Sprache.


Beim Spielen kommuniziert man durch Wörter, Bewegungen, Gesten, Laute, verschiedene Stimmlagen, Tonfall oder andere Signale. Dieses passiert auch, wenn man alleine spielt. Im Zusammenspiel mit anderen Kindern kann das Spielen sich in verschiedene Richtungen entwickeln. Zusammen mit anderen werden Ideen geboren, die dem Spiel einen

besonderen Charakter geben und es veränderbar machen. Die Kinder interpretieren die gegenseitigen Botschaften, verhandeln miteinander und verwenden unterschiedliche Strategien, um ihre Ideen zu prüfen.


Wenn Kinder spielen, lernen sie, mit anderen Menschen zu leben, zu lachen, wütend mit anderen zu werden, Kompromisse zu schließen, Sympathie und Empathie zu empfinden. Phantasie und Einfühlungsvermögen beeinflussen einander. Kinder, die ihr Spielvermögen entwickeln durften, können sich besser einfügen in Situationen der Freunde. Kinder lernen einander kennen, sie wissen was Freunden Spaß macht und in welcher Situation sie Angst haben. Es gibt Geborgenheit und Freude.


Wenn das Spiel funktionieren soll, ist es notwendig, dass man gewissen sozialen Regeln folgt. Dadurch, dass man diese Regeln versteht und ihnen folgt, entwickeln die Kinder soziale Kompetenzen. Kinder mit besonderen Bedürfnissen und Schwierigkeiten werden in ihrer Entwicklung und ihrem Lernen durch Spiel stimuliert. Die motorische Entwicklung des Kindes geschieht während des Spiels ständig."


Im Kinderladen gibt es unterschiedlichste Spielräume für die Kinder.



Schatzsuche


Schätze sind im Kinderladen in vielen verschiedenen Formen und in allen Bereichen zu finden. Sie müssen anfangs nur gesucht und wollen entdeckt werden.


Sehr wertvolle Schätze sind die individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen der einzelnen Personen im Kinderladen. Jede Person, sei es ein Kind, ein Elternteil oder eine der Erzieherinnen, hat besondere Fähigkeiten, die im Interesse und zu Gunsten aller genutzt werden können. So kommen die unterschiedlichen Begabungen der einzelnen Personen

zum Tragen und jede/jeder kann sich auf ihre/seine Weise im Kinderladenalltag und in besonderen Situationen einbringen. Die größten Schätze in unserem Kinderladen sind die Kompetenzen, die Ideen, die Offenheit und Neugierde, und der Entdecker- und Forscherdrang der Kinder.